Seit dem 1. April können Eltern nur noch einen Monat gemeinsam Elterngeld beziehen. Dadurch soll eine langfristig partnerschaftliche Aufteilung von Sorgearbeit und Erwerbstätigkeit beider Elternteile gefördert werden, so das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ). Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes (DFV), schätzt die neue Regelung ein.
1. Wie beurteilen Sie die Neuregelung grundsätzlich?
Grundsätzlich vertritt der DFV die Auffassung, dass Eltern in der Entscheidung, wie sie die Erziehung oder Betreuung ihrer Kinder organisieren, nicht beschränkt werden sollten. Deshalb sind wir mit der Neuregelung, wonach ein gemeinsamer Bezug von Elterngeld ab dem 1. April nur noch einen Monat lang möglich ist, nicht zufrieden.
2. Wird die Neuregelung ihrem Anspruch gerecht, Anreize für Väter zu schaffen, ihre Partnerin bei der Kinderbetreuung stärker zu unterstützen? Oder ist eher das Gegenteil der Fall?
Wir befürchten, dass der Schuss nach hinten losgeht. Denn noch immer sind Männer die Hauptverdiener in einer Familie und nehmen entsprechend weniger Elternzeit als die Frauen. Um Eltern zu mehr Partnerschaftlichkeit zu motivieren, braucht es Wahlmöglichkeiten statt Einschränkungen. Die Bedürfnisse von Familien hinsichtlich der Kinderbetreuung sind auch sehr unterschiedlich, sind beispielsweise abhängig von der Größe der Familie, dem Wohnort und dem familiären Umfeld.
3. Mit der neuen Regelung kann der Vater nach der Geburt nur noch vier Wochen gleichzeitig mit der Mutter Basiselterngeld nehmen. Viele Mütter müssen sich im Wochenbett von traumatischen Geburten erholen. In vielen Fällen dauert die Regeneration nach einer Geburt bekanntermaßen länger als vier Wochen. Ignoriert das neue Gesetz hier nicht biologische Tatsachen? Welche Ratschläge haben Sie, falls ein Vater nach so kurzer Zeit nicht wieder arbeiten gehen kann?
Die Neuregelung sieht zumindest Ausnahmen bei Früh- oder Mehrlingsgeburten vor – das ist positiv. Abgesehen davon bleiben die jungen Mütter schon bald sich selbst überlassen. Väter sollten frühzeitig das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen, möglicherweise können gemeinsam passende Lösungen gefunden werden (z.B. Sonderurlaub, Homeoffice, Freizeitausgleich). In Sachen Familienfreundlichkeit, oder besser Familiengerechtigkeit, stehen auch die Arbeitgeber in der Pflicht.
4. Vor welche Schwierigkeiten könnte die neue Regelung junge Familien sonst noch konkret stellen?
Wir denken, dass die Neuregelung zusätzlichen Druck in den jungen Familien aufbaut nach dem Motto: Familien haben zu funktionieren. Läuft etwas nicht „nach Plan“, wie beispielsweise die von Ihnen genannte längere Regeneration im Wochenbett, können Mütter und Väter schnell und unnötigerweise verunsichert werden.
5. Was würden Sie sich hinsichtlich der Neuregelung vom Ministerium wünschen? Welche Forderung stellen Sie?
Wir würden uns wünschen, dass diese Regelung wieder aufgehoben wird, und wieder mehr von den Familien her gedacht wird: Was brauchen sie? Was würde den Wunsch nach mehr Partnerschaftlichkeit unterstützen? Außerdem fragen wir uns, wo die von der Bundesregierung angekündigte Väterfreistellung bzw. Familienstartzeit bleibt, die dem Partner eine 10-tägige Freistellung nach der Geburt eines Kindes bei vollem Lohnausgleich gewähren soll.
Insgesamt gibt es beim Elterngeld mittlerweile große Defizite. Viele Eltern klagen über lange Bearbeitungszeiten bei den Anträgen. Außerdem sind weder die Höhe des Mindestbetrags (300 Euro seit Einführung) noch die des Höchstbetrags (maximal 1.800 Euro) angemessen. Hier braucht es wesentliche Anpassungen, da sonst eine Leistungskürzung vorliegt. Der DFV schlägt eine Verdoppelung des Mindestbetrags auf 600 Euro sowie eine Erhöhung des maximalen Betrags auf 2.300 Euro vor.
Fragen: Tagesspiegel/ B. Lamoureux
Quelle: Deutscher Familienverband
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