Anregungen und auch Forderungen für die Zeit nach der sächsischen Landtagswahl 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Partei- und Fraktionsvorsitzenden,

 

vorab möchten wir uns für den offenen und konstruktiven Austausch während der letzten Legislatur ausdrücklich bedanken! Anbei übersenden wir Ihnen unsere Anregungen und auch Forderungen für die Zeit nach der sächsischen Landtagswahl 2024.

 

Wir sehen Sachsen vor großen, vor allem demografisch bedingten, Herausforderungen. Leider sind die Dimensionen dieser aufkommenden Schwierigkeiten der Landespolitik nach unserem Eindruck noch nicht ausreichend bewusst. Der nächste Landtag muss sich, in welchen Mehrheitsverhältnissen auch immer, dieses Themas annehmen oder das Zeitfenster, in welchem sich überhaupt noch etwas zum Positiven verändern lässt, schließt sich unwiederbringlich.

 

Nachdem in Sachsen die Geburtenzahlen seit 1990 beständig deutlich zu niedrig waren, stehen inzwischen weniger als 30.000 Geburten über 60.000 Sterbefälle pro Jahr gegenüber. Das ist kein „Sterbeüberschuss“ wie oft formuliert, sondern es werden jedes Jahr nur halb so viele Kinder geboren, wie nötig wären, um die Bevölkerungszahl und damit Wirtschaft und öffentliche Dienstleistungen funktionsfähig zu erhalten.

 

Die Hoffnung, dass qualifizierte Einwanderung dieses Defizit ausgleicht, hat sich in den letzten 30 Jahren nicht erfüllt und wird es voraussichtlich auch nie, da weltweit dasselbe Phänomen zu beobachten ist: Nahezu alle Länder dieser Welt sind bereits in Schrumpfung begriffen. Es gibt schon heute nicht genug Arbeitskräfte, um den globalen Bedarf zu decken.

 

Die Geburtenzahlen in Leipzig und bald auch Dresden folgen diesem Trend und haben sich seit 2020 denen asiatischer Großstädte angeglichen. Das bedeutet, dass jede zweite junge Frau in Sachsen überhaupt keine Kinder in ihrem Leben mehr haben möchte. Die verbleibende Hälfte wird voraussichtlich nur noch ein Kind haben wollen. Nötig wären jedoch zwei Kinder pro Frau, um Gesellschaft, Wirtschaft, den Sozialstaat und damit auch die Demokratie stabil zu halten.

 

Diese negativen Auswirkungen betreffen jeden Bereich des Lebens: Sterbende Dörfer und Landkreise, Arbeitskräftemangel in ausnahmslos allen Brachen, zunehmende Handlungsunfähigkeit des öffentlichen Dienstes durch gravierende Personalknappheit, Verschlechterung der medizinischen Versorgung, die Schließung von Jugendclubs, Krankenhäusern und Geburtsstationen. Ob bei den Bürgerämtern, über Müllabfuhr, Polizei und Justiz über den Lehrkräftemangel bis in die Pflegeheime, kein Bereich des Lebens bleibt ausgenommen. Bis 2035 wird Sachsen weitere 20% seiner Arbeitskräfte sowie die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte verlieren. Das alles gilt auch für unsere Großstädte.

 

Dem einher gehen entsprechend schnell steigende Renten- und Pflegekosten sowie andererseits ausbleibende Steuereinnahmen, wie man bereits heute am Beispiel Sachsen-Anhalt sehen kann.

 

Daher möchten wir Sie bitten, Familien in allen Formen endlich einen Stellenwert in der Landespolitik zu geben und Familiengründungen aktiv zu fördern. Wir als „Zivilgesellschaft“ können die genannten Herausforderungen nicht mehr allein stemmen, sie sind zu groß für das Ehrenamt.

 

Wir wünschen uns Impulse aus der Politik, die Bedingungen für eine Familiengründung durch junge Menschen deutlich besser und einfacher zu gestalten und auch offen anzusprechen, dass wir wieder mehr Kinder in unserer Mitte wollen und brauchen.

 

Ein Politikansatz, welcher ausschließlich auf die Wählergruppe 50+ ausgerichtet ist, ist kein Blick in die Zukunft. Dieser Ansatz wird immer nur den weiter zunehmenden Mangel an allem erklären müssen, ohne irgendeine konkrete Lösung mit Aussicht auf Erfolg zu bieten.

 

Lösungen jedoch kann es geben: Die demografischen Probleme in Westdeutschland wurden in den 1960er-Jahren innerhalb von nur 10 Jahren für mehrere Dekaden gelöst. Frankreich und die skandinavischen Länder machen es aktuell erfolgreich vor.

 

Kürzlich haben u.a. Frankreich, Italien, Ungarn, Japan und China die demografische Herausforderung als Top-Priorität ihrer jeweiligen Staaten für die nächsten Jahrzehnte benannt und legen Programme auf, um eine Familiengründung für junge Leute wieder attraktiv zu gestalten. Weitere Länder werden demnächst folgen. Man steht vor den gleichen Problemen wie hierzulande, geht sie jedoch von kommunaler bis nationaler Ebene faktenbasiert, aktiv und zukunftsgewandt an.

 

Wir erhoffen uns hierbei Ihre Unterstützung und stehen sehr gern für einen persönlichen Austausch und Ihre Fragen zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr DFV-Vorstand

 


Friedrich Förster                                Eileen Salzmann                               Volker Schaarschmidt

Vorsitzender                                         Stellv. Vorsitzende                              Schatzmeister

 

 

Forderungen an die Politik zur Landtagswahl in Sachsen 2024

Nur noch 12% der Familien haben drei oder mehr Kinder, Tendenz stark sinkend. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit sollte das Land Sachsen deutliche Signale der Familienfreundlichkeit und Anreize dazu setzen, damit wieder mehr junge Menschen sich für Kinder entscheiden.

 

  • Familienpass

Allein- bzw. Getrennterziehende erhalten den Familienpass bereits ab dem 2. Kind. Wir sehen keinen Grund für diese Unterscheidung in der Kinderzahl und wünschen uns eine Erweiterung des Familienpasses auch auf Großeltern mit Enkeln. Ferner ist es aus unserer Sicht wünschenswert, auch Mitgliedschaften in geförderten Vereinen wie z.B. Sportvereinen, Chören, Tanzschulen, Musikschulen oder andere geförderte Hobbyaktivitäten über den Familienpass zu unterstützen.

 

  • Patenschaften des Freistaates ab den 3. Kinder

In Sachsen werden seit über 30 Jahren zu wenige Familien gegründet. Durch die rückläufige Geburtenrate im Freistaat Sachsen gibt zu wenige Kinder in den Haushalten. Eltern mit drei und mehr Kindern gibt es so gut wie gar nicht mehr. Eine öffentliche Anerkennung der Leistungen der Eltern durch den Ministerpräsidenten und den Freistaat soll einen Anreiz setzen, künftig die Entscheidung für mehrere Kinder zu erleichtern.

 

  • Kitas/Schulen

Auf Grund sinkender Geburtenzahlen wird bereits in einigen sächsischen Kommunen über Kita- und Schulschließungen diskutiert. Wir fordern auf davon Abstand zunehmen und stattdessen wieder zu einem für die Kinder besseren Betreuungsschlüssel in Kitas und kleineren Klassenstärken an den Schulen zurückzukehren.

 

Wir fordern eine zügige Überarbeitung und Entrümplung und Anpassung der sächsischen Lehrpläne, damit unsere Kinder wieder entspannter und mit Spaß Lernen können und das Leistungsniveau der Kinder im Vergleich zu anderen Kindern in Ländern in der EU nicht noch weiter absinkt.

 

  • ÖPNV

Es gibt sachsenweit noch immer keine einheitlichen Familientarife und Kinder-/ Schülertarife für den ÖPNV. Eltern sind je nach Region in Sachsen und der Anzahl der Kinder viel mehr belastet als Kinderlose. Daher fordern wir einheitliche vergünstigte Kinder- und Familientarife unabhängig vom jeweiligen sächsischen Verkehrsverbund.

 

  • Deutschlandticket

Wir fordern Sachsen auf sich im Bund für ein kostengünstigeres Deutschlandticket für Kinder/ Jugendliche und Familien einzusetzen.

 

  • Mobilität

Sachsen braucht mehr große Familien, um zukunftsfähig zu sein. Diese haben besondere Bedürfnisse und hohe Kosten, gerade bei der Mobilität. Daher fordern wir Zuschüsse für ein benötigtes Familienauto oder Bahncards für die Eltern.

 

Der Führerscheinerwerb in Deutschland hat sich seit Jahren regelmäßig verteuert. Für viele Berufsanfänger, gerade im ländlichen Raum, ist der Erwerb zwingend erforderlich. Auch wenn eine stärkere Orientierung zum ÖPNV wünschenswert ist, ist der Kompetenzerwerb für das Fahren trotzdem notwendig. Die Kosten, gerade bei mehreren Kindern in Ausbildung, belasten Familien überproportional. Der Freistaat sollte sich für eine Entbürokratisierung und Vereinfachungen z.B. bei der theoretischen Ausbildung einsetzen (Onlineausbildung, Selbststudium, vergleichbar anderen Länder) und sich für ein angemessenes Kostenniveau und eine angemessene Zeitschiene beim Erwerb einsetzen.

 

  • Landeserziehungsgeld

Für viele Eltern, z.B. studierende Mütter oder Auszubildene, ist das 1. Lebensjahr ihres Kindes finanziell das schwierigste, zum Beispiel durch den Wegfall des BAföG-Anspruchs. Daher fordern wir die Wahlfreiheit, das Landeserziehungsgeld auch ersatzweise direkt nach der Geburt beziehen zu können.

Ferner sollte eine Streckung des Bezug Zeitraumes der Summe auf 12 statt 6 Monate möglich sein. Dies würde Eltern wesentlich mehr Planungssicherheit geben.

 

  • Grunderwerbssteuer

Familien zahlen gleichviel Grunderwerbssteuer wie Unternehmen, können diese Kosten aber nicht geltend machen oder auf Produkte umlegen. Das macht Grunderwerb für Eltern und Selbstnutzer generell in Sachsen sehr teuer und in Verbindung mit hohen Zinsen und Bauauflagen unattraktiv. Eigentumserwerb bedeutet soziale Absicherung, Erhalt von Dörfern ("Jung für Alt") und Belebung der lokalen Wirtschaft. Daher fordern wir die Abschaffung, Senkung oder Umlage dieser Steuer.

 

  • Familiendarlehen

Mit Geburt sollte der Familie der Bezug eines zinslosen Familiendarlehens von der Sächsischen Aufbaubank gewährt werden. Die zurückzuzahlende Summe soll sich mit der Geburt jedes weiteren Geschwisterkindes um die Hälfte reduzieren. Begründung: Es gibt zu wenige und immer weniger Kinder in Sachsen. Dieses Instrument hat sich in der Vergangenheit bereits als wirksamer Anreiz für die Entscheidung zur Gründung einer Familie erwiesen. Die Familiendarlehen werden seit einigen Jahren wieder erfolgreich in anderen Ländern angeboten.

 

  • Familienfreundlichstes Bundesland

Wir fordern, dass die sächsische Landesregierung und die zuständigen Ministerien sich den riesigen demografischen Herausforderungen endlich stellen. Es müssen Anreize zu mehr Familiengründungen und damit Geburten gesetzt werden. Mit der Zielsetzung "familienfreundlichstes Bundesland" und einer entsprechenden Agenda kann dies gelingen und eine positive Entwicklung sowie die sprichwörtliche Wiederbelebung Sachsens in allen Bereichen anstoßen.

 

  • Familiengipfel

Familien haben besondere Belange und Anforderungen an die Gesellschaft und ihr gesellschaftliches Umfeld wie z.B. Arbeit, Kita, Schule. Wir fordern die familienpolitisch verantwortlichen Politiker (Familienministerin, Bildungsminister, Wirtschaftsminister, Minister für Regionalentwicklung) des Freistaates Sachsen auf diese Belange regelmäßig mit Vertretern der Familien (Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände im Freistaat Sachsen (LAGF), Wohlfahrtsverbände) in einem geeigneten Format wie z.B. auf einem Familiengipfel zu diskutieren. Der erste Familiengipfel wurde 2021 gemeinsam mit der LAGF durchgeführt und trotz gegenteiliger Versprechen der Politik nie wiederholt.

 

  • Familienbeauftragte/ r

Die Familien und Familienverbände wünschen sich eine dauerhafte Stimme in der sächsischen Regierung. Die bisherige „Kinderbeauftragte“ kann diesen Wunsch auf Grund der engen Definition der Rolle leider nicht erfüllen. Wir – Familien, Eltern und Kinder – lassen uns nicht in Interessengruppen aufspalten. Wir wollen und müssen gemeinsam als Einheit gesehen werden!

 

  • Steuern

Familien müssen adäquat steuerlich entlastet werden. Dazu müssen Kinder noch besser als bisher berücksichtigt werden. Der Freistaat Sachsen sollte sich daher beim Bund für eine Weiterentwicklung des Ehegattensplittings zum Familiensplitting einsetzen.